Eine beispielhafte Frau

Hedwig Henriette Heyl

ein biographischer, zeitkritischer Streifzug durch´s 19- und beginnende 20. Jahrhundert

von Klaus J. Heyl

Vom Beginn der Menschheitsgeschichte an, haben Frauen an der Seite von Monarchen, Männern mit machtvollen Stellungen oder großem Reichtum, direkten – oder indirekten Einfluss auf das öffentliche Leben gehabt. Die Masse ihrer Geschlechtsgenossinnen darbte jedoch ohne politische – oder soziale Rechte unter dem, mehr oder weniger gerechten Joch der Männer.

Erst die französische Revolution bringt für die Frauen einen Hoffnungsschimmer auf Beseitigung der staatsrechtlichen Ungleichheiten. Der dann folgende Siegeszug des demokratischen Gedankens im 19. Jahrhundert lockert langsam die männliche Vorherrschaft und somit die Fesseln des weiblichen Geschlechts. Auch die beginnende Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts hilft dem Frauenstand, diese Fesseln nach und nach abzustreifen.

Frauen werden im Berufsleben vorwiegend als Arbeiterinnen gebraucht. Sie wünschen sich jedoch Zugang zu vielen, auch höher gestellten Berufen, mit gleichen Rechten und Möglichkeiten wie die Männer. Auch das aktive und passive Wahlrecht steht bei den Frauen ganz oben auf ihrem Wunschzettel.

Der endgültige Sieg, die Gleichstellung vor dem Gesetz, die Zulassung zu allen Berufen und das Zugeständnis des Wahlrechts für Frauen, ist jedoch nicht nur der politischen – oder wirtschaftlichen Entwicklung -, sondern ganz besonders einzelnen, überragenden Frauen zu verdanken, die durch ihre Leistungen, ihre Beispiele und vor allem ihre Geduld, Vorurteile und verkrustete Schranken aufbrechen und überwinden.

Unter den Deutschen Frauen, die diesen Ruhm für sich in Anspruch nehmen können, steht Hedwig, Henriette Heyl mit in vorderster Reihe.

 

Neben ihr gibt es jedoch eine ganze Reihe ähnlich denkender und handelnder Frauen, nicht nur in Deutschland sondern in vielen Europäischen Ländern. Hier sind zu nennen:

Gertrud Bäumer, die zu den Gründerinnen der Frauenbewegung gehört.

 

 

Lady Aberdeen, die gleiches in England macht.

 

 

 

Helene Lange, Gründerin und Vorsitzende der Deutschen Frauenvereine. Sie ist mit einem ähnlichen Schicksal wie Hedwig Heyl behaftet, was die Medien anbelangt. Dazu später mehr.

 

 

Clara Behn-Schuch, die 1903 das Kinder- und Jugendschutzgesetz politisch durchsetzt.

 

 

Frieda von Bülow die im Kolonialismus für die Gleichberechtigung afrikanischer Frauen kämpft.

 

 

Emma Graf, Schweizer Partnerin im Kampf für das Frauenstimmrecht.

 

 

 

Gräfin Selma von der Gröben, die lange vor dem 1. Weltkrieg viele Heime für uneheliche Mütter gründete, und nicht zuletzt

 

 

Anna von Gierke, die anfangs die rechte Hand Hedwig Heyls ist und später auch ihre Nachfolgerin

Zu Zeiten der NSDAP hat sie vielen Verfolgten geholfen und legte sich, völlig furchtlos, regelmäßig mit dem Nazi Regime an.

Sie alle und noch viele weitere Frauen sind eng mit Hedwig Heyl verbunden, teilweise sogar befreundet und sorgen sich in diesen bewegten Zeiten gemeinsam um die sozialen und beruflichen Rechte der Mädchen und Frauen.

Gerade die Zeit der beginnenden Industrialisierung und damit einhergehend der Beginn des frühen Kapitalismus bietet diesen Frauen ein breites Betätigungsfeld.

Die hygienischen Verhältnisse im häuslichen Bereich und die Arbeitsbedingungen, sofern man überhaupt Arbeit hatte, sind katastrophal. Die frühen Kapitalisten sind an weiblicher Bildung oder sozialer Fürsorge unteren Schichten gegenüber nur wenig interessiert, nutzten die Zustände, gerade Frauen gegenüber weidlich aus und tun es in vielen Bereichen eigentlich bis heute, wenn man z. B. an die immer noch ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit denkt.

Wer ist nun Hedwig Heyl und was bewegt sie ?

Sie wird am 05.05.1850 als Tochter des Reeders, Mitbegründers und erstem Direktor des Norddeutschen Lloyd, Eduard Crüsemann und seiner Frau Henriette, in Bremen geboren und wächst behütet und geliebt im Bremer Großbürgertum auf.

Tochter Hedwig wird vom Vater bereits früh in kaufmännische Belange und Sichtweisen eingeführt. Auch das große Organisationstalent und das Erfassen des Wesentlichen hat sie offensichtlich von ihm geerbt.Mutter Henriette ist eine sehr gute Köchin und Hauswirtschafterin. Von ihr lernt sie den richtigen Umgang mit Lebensmitteln, das Führen eines Haushalts und den fairen und menschlichen Umgang mit Dienstboten.

Mit siebzehn Jahren nimmt ihre Mutter sie mit zu einer Kur nach Schlangenbad bei Wiesbaden. Dieser Ort ist beim Großbürgertum jener Zeit äußerst beliebt.

Während Henriette mit Kuren beschäftigt ist, bricht Hedwig zu einem Spaziergang durch den romantischen Kurpark auf.  Dabei lernt sie einen höflichen, stattlichen jungen Mann aus Berlin kennen, der durchaus ihr Interesse erweckt.

Nur schickt es sich nicht, ihr Gefallen so direkt zu zeigen und es braucht noch mehrere Spaziergänge im Kurpark, bis sich der junge Mann endlich ein Herz fasst und Hedwig das erste Mal anspricht. Artig stellt er sich als Georg Friedrich Heyl aus Berlin vor.

Er lädt sie ein, auf einer Parkbank miteinander zu plaudern. Hedwig hat absolut nichts dagegen einzuwenden. Georg Heyl ist charmant und höflich. Etwas schüchtern zwar, aber gewandt und offensichtlich auch recht gebildet.

Nach einigen weiteren Treffen war es um Hedwig endgültig geschehen. Sie hatte sich unsterblich in ihn verliebt und will Georg unbedingt ihrer Muttter vorstellen, die bis dahin keinerlei Ahnung hat, was ihr Töchterchen im Kurpark so treibt.

Als Henriette die Wahrheit erfährt, ist sie zunächst entsetzt über die Geheimniskrämerei ihrer Tochter.

Sie beruhigt sich aber schnell, als sie Georg Heyl das erste Mal sieht und kennenlernt. Der junge Mann gefällt ihr auf Anhieb und sie kann sich gut vorstellen, dass er zu ihrer Tochter passt. In langen Gesprächen fällt Henriette auf, das Georg Heyl nicht nur einen hohen Bildungsstand hat, sondern offensichtlich auch Herzensbildung besitzt.

Er kommt aus einer wohlhabenden Berliner Fabrikantenfamilie und soll demnächst von seinem Vater die Farbenfabrik Gebr. Heyl & Cie mit vielen Hundert Mitarbeitern übernehmen. Als zukünftiger Fabrikherr hat er, für die damalige Zeit, ein ungewöhnliches soziales Verständniss. Das war Henriette und Eduard Crüsemann ebenso wichtig. In diesem Geiste hatten sie auch Tochter Hedwig erzogen.

Als die beiden Damen am Abend in ihrer Pension allein sind, meint Henriette zufrieden: “Mein Kompliment, Du hast auf Anhieb eine sehr gute Wahl getroffen. Ich bin sicher, das auch Dein Vater, Herrn Heyl in sein Herz schließen wird. Ihr passt nicht nur optisch, sondern auch vom Stand, Euren Ansichten und vor allem in bildungs- und sozialen Fragen wirklich gut zueinander.”

So kommt es dass die ganze Familie Crüsemann, auf Einladung der Familie Heyl, ein halbes Jahr später, im November 1867, teils mit der Postkutsche und teils mit der gerade fertiggestellten Eisenbahn nach Berlin reist, um sich kennen zu lernen. Bis dahin vergeht kaum ein Tag, an dem die Liebenden sich nicht glühende Briefe hin und her schicken. Je mehr Zeit vergeht, um so sicherer ist sich Hedwig ihrer großen Liebe.

In Berlin angekommen, lernen sie die große Familie Heyl kennen, die in einer Villa auf dem Fabrikgelände in Charlottenburg lebt. Der Vater von Georg, Onkel, Tanten mit ihrem Familien und noch zwei Geschwister leben dort und heißen die Bremer herzlich willkommen. Es herrscht ein freier, weltoffener Geist in dieser Familie und vermittelt Hedwig von Anfang an das Gefühl, hier zu Hause zu sein.

Man lernt sich bei Wein, Likör und leckerem Essen schnell kennen und schätzen. Da die Liebe bereits so groß ist und die Familien sich gegenseitig bestens verstehen, wird sogar die Hochzeit besprochen und für den 23. Januar 1869 festgelegt. Die Zeit bis dahin wird Hedwig zum Abschluss ihrer Bildungsjahre, Henriette Breymann anvertraut. Die Nichte und Schülerin von Friedrich Fröbel, dem berühmten Pädagogen und Erfinder des “Kindergartens”, bringt Hedwig das Rüstzeug bei, was sie in späteren Jahren konsequent in die Tat umsetzt.

Auch die Hochzeit und der Umzug von Bremen nach Berlin muss vorbereitet werden.Bräutigam Georg wird zwischenzeitlich die Leitung der Farbenfabrik Gebr. Heyl & Cie. übergeben, in die er sich, mit Hilfe seines Vaters, einarbeiten muss. Ein Jahr reicht gerade eben dafür.

Am 23. Januar 1869 findet eine große Hochzeit im oberen Prunksaal des Bremer Rathauses statt. Viele Gäste aus der Heylschen Familie sind von Berlin angereist und ebenso viele Freunde der Crüsemanns und Geschäftspartner vom Norddeutschen Lloyd.

Das Brautpaar wird nach der Hochzeit eine Etage in der großen Villa auf dem Fabrikgelände am Salzufer in Charlottenburg beziehen.(siehe Foto, unten späteres Haus)

Als Hedwig sich in ihrem neuen Zuhause eingelebt und die Fabrik, sowie einen Großteil der Mitarbeiter kennengelernt hat, unternimmt sie bereits die ersten Versuche sozialer Hilfe für ihre Belegschaft. In der eigenen Wohnung richtet sie nach Fröbelschen Ideen einen Kindergarten, für die noch nicht schulpflichtigen Arbeiterkinder ein. (Foto: Kinderkrippe im Pestalozzi-Fröbel Haus)

Ganz am Anfang ihrer sozialen Arbeit wird sie als Direktorengattin in den Elisabeth Verein in Charlottenburg eingeladen. Ein Verein für Wöchnerinnen, mit strengen Regeln: uneheliche Mütter und Kinder waren von vornherein von der Fürsorge ausgeschlossen.

Die junge Hedwig Heyl schockierte den gesamten ehrwürdigen Damenvorstand, als sie mutig für modernere Gesichtspunkte eintritt. “Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter!” meint sie und richtet umgehend eine eigene Wöchnerinnenstation ein, zu der sie, dank der hochrangigen Stellung ihres Mannes, auch einige Ärzte gewinnen kann.

1871 stellt sie fest, dass viele der Arbeiter der Heylschen Fabrik oft krank sind. Offensichtlich ist die mangelnde Ernährung und der Umgang mit giftigen Farben das Übel daran. Also gründet sie in der Fabrik die erste Werkskantine Deutschlands, mit gesundem, ausgewogenen Essen zu günstigen Preisen an einem Mittagstisch.

Auf einer Hygiene Ausstellung in Berlin wird erstmals ein Brausebad für Arbeiter gezeigt. Sofort überzeugt Hedwig ihren Mann, ein solches Brausebad in seinem Betrieb einbauen zu lassen. Daraus wurde später die erste Badeanstalt Berlins, zu der dann alle Charlottenburger Bürger Zugang hatten.

1873 wird anlässlich des 50jährigen Firmenjubiläums ein Knabenheim für die Schulknaben der Werksangehörigen am Salzufer in Charlottenburg eröffnet. Ihr Mann Georg freut sich über das soziale Engagement seiner Frau und unterstützt sie, wo es eben geht. Hedwig arbeitet immer noch in der Wöchnerinnen Betreuung und bringt, ihre dort gewonnenen Erfahrungen in ihrem ersten Buch “Säuglingspflege” zu Papier. Das ist für viele Mütter der damaligen Zeit, eine sehr nützliche Hilfe.

In dem, von ihrer alten Lehrerin, Henriette Breymann, gegründeten Pestalozzi-Fröbel Haus in Berlin soll die hauswirtschaftliche Schulung aufgenommen werden.

Hedwig Heyl wird gebeten, die Grundlagen hierfür zu schaffen und die Leitung zu übernehmen.

Hierfür reist sie auch nach Frankreich und England, kann aber keine brauchbaren Lehrbücher für diesen Zweck finden. Nach eingehendem Studium der Volkswirtschaftslehre, der Biologie, der Chemie, der Ernährungslehre und der Hygiene schreibt Hedwig 1879 das ABC der Küche, in dem nicht nur eine Vielzahl Koch- und Backrezepte, sondern auch Hauswirtschaftliche Fähigkeiten rund um die Küche, akribisch genau aufgeführt werden. In den ersten Ausgaben werden sogar noch die Preise für die einzelnen Zutaten angegeben.

Mit diesem Buch gründet Hedwig Heyl im Pestalozzi-Fröbel Haus die erste Koch- und Haushaltungsschule Deutschlands, mit Zugang für Frauen aller Schichten.

Zu ihren ersten Schülerinnen gehört Prinzessin Victoria von Preußen, die auch dafür sorgt, das besonders gut geratene Gerichte im Kronprinzenpalais nach gekocht werden. Auch die Königin von Preußen erbittet nach kurzer Zeit, Hedwigs Kochrezepte.

Das Buch “Das ABC der Küche” wird in kurzer Zeit das berühmteste Kochbuch Deutschlands. Es wird das Standardwerk, nicht nur für Frauen und Schulen im ganzen Land, sondern auch für das gastronomische Gewerbe, für Krankenhäuser, die Kaiserliche Verwaltung und alle Auslandsvertretungen des deutschen Reichs. Bis in die 1950er Jahre wird es immer wieder neu aufgelegt. Neun Goldene und acht Silberne Medaillen werden Hedwig im Laufe der Zeit hierfür verliehen.

Ihr ist es äußerst wichtig, das auch die Frauen der unteren Schichten Zugang zu der Ausbildung haben, da gerade hier gesunde Ernährung besonders notwendig ist. In ihren Ausbildungsklassen werden daher Frauen aller Schichten kostenfrei aufgenommen.

1880 wird dann auf dem Grundstück der Heylschen Fabrik die erste Gartenbauschule Deutschlands eröffnet, um auch Frauen Möglichkeiten zum Gärtnerinnen Beruf zu eröffnen.

Bereits zwei Jahre später werden, unter der Schirmherrschaft der Kronprinzessin Victoria in den Räumen des Berliner Rathauses, die zwanzig Anstalten vorgestellt, die Hedwig Heyl bisher gegründet hat und erfolgreich betreibt.

1) Der erste Kindergarten Deutschlands auf dem Heylschen Fabrikgelände

2) Die erste Badeanstalt Berlins auf dem Heylschen Fabrikgelände

3) Das Knabenheim für Kinder aus einfachen Schichten.

4) Die Hauswirtschaftliche Volkserziehung

5) Die häusliche Säuglingspflege

6) Die erste Deutsche Kochschule

7) Gründung der ersten Deutschen Gartenbauschule für den Frauenstand

8) Der Verein für Volkserziehung

9) Der Verein für häusliche Gesundheitspflege

10) Der Verein für interkonfessionelle Krankenpflegerinnen

11) Das Victoria Haus für Krankenpflegerinnen

12) Die erste Ferienkolonie für kranke Großstadtkinder

13) Der Letteverein für die Ausbildung von Frauen in gewerblichen Berufen

14) Das Heimathaus für alte Lehrerinnen

15) Die Heimstätten für genesende Arbeiter und Arbeiterinnen

16) Die Cecilienhilfe für den Frauenstand

17) Vorsitz des Deutschen Lyzeum-Clubs

18) Vorsitz der Vaterländischen Frauenvereine

19) Vorsitz der Deutschen Hauspflegevereine

20) Vorstand im Verein für Volkshygiene

An dieser Fülle von Aktivitäten sieht man, dass es Hedwig Heyl wirklich ein Bedürfnis ist, für die Frauen etwas zu bewegen, ihnen zu mehr Achtung und Bildung zu verhelfen und dadurch einen gleichwertigen Platz in der Gesellschaft zu verschaffen.

Ihr Wahlspruch, den sie Zeitlebens befolgt hat, lautet:

“Leben, lieben, tun- und in Höhen ruhn.”

Was heißt: Sich entspannen, sich erholen, sich neu aufbauen und erheben, zu edelsten und reinsten geistigen Dingen.

Hedwig wird oft gefragt, wie sie das alles schaffen würde und antwortet stets: “Die Lebenszeit ist mir zu kostbar, geistige Kräfte in Sorge zu vertun.”

Ihre gesellschaftliche Stellung, die ihres Mannes sowie ihre Freundschaften zu vielen hochrangigen Persönlichkeiten, bis hin zum Kaiserhaus, die viele ihrer Vorhaben unterstützen, helfen ihr natürlich dabei. (Fotos Ehepaar Heyl)

 

Dadurch wird soziales Engagement auch in begüterten und blaublütigen Kreisen plötzlich chic. Viele Menschen dieser Kreise interessieren sich bisher absolut nicht für ärmere oder Arbeiterschichten.

Aber hinter dem Kaiserhaus will man natürlich nicht zurückstehen, auch wenn man diesen neumodischen sozialen Ideen für die unteren Schichten, eigentlich ablehnend gegenüber steht.

Ohne die weltoffene und soziale Erziehung durch ihre Eltern und die Ausbildung bei Henriette Breymann, aber auch das soziale Engagement Georg Heyls, der sie in vielen Bereichen aus voller Überzeugung unterstützt, würde so manches nicht realisiert und angegangen werden.

So liegt Hedwig auch die Verbesserung der oft unsozialen Behandlung der Dienstboten,höherer Stände, am Herzen.

“Die Dienstbotenfrage ist augenblicklich ein soziales Problem, das wiederum nur durch eine vollständig andere Auffassung des praktischen Lebens seitens der Gesellschaft zu lösen sein wird.” äußert sie 1882, anlässlich eines Vortrages ohne Scheu vor zahlreichen Mitgliedern, eben dieser, von ihr angesprochenen Gesellschaft. Und weiter:

“Die gelernte Arbeit der Frauen höherer Stände würde sich für die Fortbildung der unteren Schichten, insbesondere des Hilfspersonals im Hause sehr geeignet machen, also sollte sie es angehen.” (Foto Dienstmädchen im 19. Jahrhundert)

Ein Jahr später ist tatsächlich eine deutliche soziale Verbesserung im Umgang mit Dienstboten zu verspüren.

Dann treffen dunkle Schatten auf Hedwig Heyl. Auf einer Geschäftsreise 1889 stirbt, völlig unerwartet ihr geliebter Mann Georg mit 49 Jahren in London an Typhus. Selbst der Leibarzt der Englischen Königin, Sir Andrew Clark, der auf Bitten der Deutschen Kaiserin eingeschaltet wird, kann nicht mehr helfen. In seinem Testament hat Georg verfügt, das seine Frau, nicht nur das gesamte Vermögen erben soll, sondern er legt auch die Leitung der Fabrik in ihre Hände.

Obwohl es für Hedwig eine fast untragbare Belastung ist, zieht sie sich aus ihren sozialen Projekten nicht zurück. Sie versucht, mit eiserner Disziplin, die Leitung der Fabrik, die Erziehung ihrer, mittlerweile fünf Kinder und ihre Arbeit zur Besserung der sozialen Zustände, vor allem der Fortbildung und Berufsförderung der Frauen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern weiter auszubauen.

Im Jahre 1904 soll der Internationale Frauenkongress in Berlin abgehalten werden. Die Organisation und die Leitung wird in die bewährten Hände Hedwig Heyls gelegt. Dieser Kongress bringt bei der Deutschen Öffentlichkeit, die bisher immer noch stark zurückhaltend ist, was Frauenthemen anbelangt, ein deutliches Umdenken. Man ist von der imposanten Kundgebung des Frauenfortschritts, auf der ganzen Welt, stark beeindruckt.

Um diese gewonnenen Verbindungen in alle Welt nicht wieder abreißen zu lassen, gründet Hedwig Heyl, zusammen mit      Ellen von Siemens-Helmholtz, den Deutschen Lyzeum-Club. Dadurch werden vielversprechende Brücken ins Ausland geschlagen.

Durch die Internationalisierung des Lyzeum-Clubs und der Mitgliedschaft im Deutschen Frauenbund wird Hedwig Heyl gebeten, dort auch die Leitung des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft zu übernehmen. Die Hauptaufgabe hier ist die hauswirtschaftliche Ausbildung von Frauen, die in die Deutschen Kolonien gehen wollen. Dort werden Ehefrauen und weibliche Arbeitskräfte in unterschiedlichsten Berufen dringend gebraucht.

Auch auf das Leben in der Fremde werden die Frauen vorbereitet. Außerdem gehört der Aufbau von Schulen und Kindergärten in den Kolonien, nicht nur für Deutsche sondern aller Kinder, sowie Stipendien für die Berufsausbildung der Afrikanischen Jugend, in Deutschland dazu.

Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg.

Hedwig liegt es sehr am Herzen, die Frauen möglichst gut und umfassend auszubilden, damit sie sich an der Seite eines fremden Mannes und in einem fremden Land schnell und gut zurecht finden und behaupten können.

Politische Ambitionen hat Hedwig Heyl überhaupt nicht, es sei denn, sie kann sie nutzen, um ihre Ideen und Pläne zu Gunsten der Frauen voran zu treiben.

So kommt, auch auf ihre Initiative hin, 1911 endlich das aktive und passive Frauenwahlrecht  auf die Tagesordnung des Reichstages. Durch den Krieg dauert es jedoch noch bis 1919, bis das Gesetz in Deutschland durchgesetzt und verabschiedet werden kann, was den Frauen endlich die verdiente Aufwertung bringt.

Bereits ab den 30.er Jahren des 19. Jahrhunderts unternehmen vermögende Privatpersonen aus Deutschen Landen den Versuch, nach dem Jahrhunderte alten Vorbild von Spanien, Portugal, England, Holland und Frankreich, Deutsche Kolonien in Afrika, Asien und im Pazifik zu gründen. Der Staat zeigt bisher daran wenig Interesse, weil man dafür eine große Kriegs- und Handelsmarine braucht und die ist dem Kaiser schlicht zu teuer.

Das ändert sich erst Ende der 1840.er Jahre, als man merkt, das die neuen Kolonialherren ihre Kolonien mit Erfolg betreiben und große Schätze oder Rohstoffe nach Hause liefern. Deutsch Südwestafrika (heute Namibia) wird als Deutsche Kolonie, ebenso wie Deutsch-Ostafrika und einige Pazifische Inseln besetzt. Etliche Männer melden sich freiwillig für den Vaterländischen Dienst in den neuen Überseegebieten. Diese werden unter Deutsches Recht gestellt, was aber nur für die Deutschen gilt. Jede Kolonie erhält einen Gouverneur, der dann auch über die einheimische Bevölkerung herrscht und Recht sprechen muss.(Bild: Deutsches Kolonialreich 1914)

Das heißt für die Eingeborenen oft Unterdrückung und Ungerechtigkeit, da zunächst die Weißen kommen und dann erst sie. Selbstverständlich ist das Bestreben, Deutschtum und Deutsche Sitten und Gebräuche in die Kolonien zu bringen. Das wird aber bei weitem nicht so rigoros und brutal durchgesetzt, wie bei vielen anderen Kolonialmächten.

Das Deutsche Kolonialwesen ist in keiner Weise vergleichbar mit den Gräueltaten der Spanier und Portugiesen in Südamerika oder Asien. Auch die Holländer, Engländer oder Franzosen gehen mit ihren Untertanen in den Kolonien nicht zimperlich um und herrschen mit harter Hand. Und das bereits viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte lang.

Der Kolonialismus beginnt bereits im 14. Jahrhundert und erlebt seine Blüte im 18. Jahrhundert. Das Deutschland erst so spät mit der Kolonialisierung beginnt, liegt an der Zersplitterung des Landes, mit vielen Kleinstaaten und Fürstentümern. Erst als man in den 1860er Jahren anfängt, sich auf einen staatlichen Zusammenschluss zu einigen, wird auch das Interesse an Übersee Besitzungen geweckt. So ist es Ende des 19. Jahrhunderts etwas ganz normales, Kolonien zu besitzen, Rohstoffe abzubauen und die einheimische Bevölkerung für sich arbeiten zu lassen.

Für Diese gibt es aber nicht nur schlechte Erfahrungen mit den Kolonialherren. Es werden in den Deutschen Kolonien und auch bei den Engländern, viele Dinge verbessert, indem intensiver Landwirtschaft oder Handel betrieben wird, Infrastrukturen ausgebaut werden und viele Errungenschaften der Industrialisierung, wie z. B. die Eisenbahn oder die Dampfmaschine zum Einsatz kommen.

Kolonien, mit allen positiven und negativen Aspekten, gehören zum Weltbild undzum Geist der damaligen Zeit, nicht nur in Deutschland, sondern fast überall in Europa und Nordamerika.

Genau wie viele andere Staaten, ist auch Deutschland stolz auf das Vaterland. Deutschtum ist seit dem Zusammenschluss der Deutschen Staaten 1867 besonders wichtig.

Viele Begriffe wie Vaterländisch, Deutschtum, Völkisch usw. die die Nazis später verherrlichen und missbrauchen, sind im ausgehenden 19. Jahrhundert normaler Sprachgebrauch und keineswegs anstößig.

Genauso, wie sich in dieser Zeit erst langsam die Gleichstellung zwischen Mann und Frau entwickelt, muss sich auch die Gleichstellung zwischen weißen und andersfarbigen Menschen erst entwickeln.

Deshalb ist es, geschichtlich betrachtet, absolut unsinnig und dumm, die Kolonialzeit aus heutiger Sichtweise zu betrachten und pauschal zu verurteilen. 

Besonders in Deutschland meinen viele Neunmalkluge, sich über Menschen, Ansichten und Handlungsweisen der damaligen Zeit entrüsten zu müssen. Sie vergessen dabei völlig, das Handlungen und Ansichten immer aus den damaligen Lebensumständen privater, politischer, wirtschaftlicher und vor allem sozialer Natur, sowie dem jeweiligen Wissensstand entstanden sind. Diese Lebensumstände sind eben völlig anders als heute. Auch unser heutiges Wissen baut auf dem Wissen und den Erfahrungen vergangener Generationen auf.

Ich möchte lieber nicht wissen, wie die Menschen in 100 oder 150 Jahren über unsere heutige, maßlosen Lebens- und Verhaltensweisen urteilen werden, die bestimmt nicht immer vorbildlich sind, wenn man nur an die Verschmutzung der Meere, die Überfischung, den Raubbau an der Natur oder die völlig überzogene Konsumsucht denkt. Ich habe mit Sicherheit keinerlei kommunistische Einstellungen, erkenne aber das uns und der Natur der Kapitalismus, wie er vor allem von den USA propagiert wird, auch nicht gut tut. Wir alle wissen heute, wie es um den Klimawandel bestellt ist. Doch rechtzeitige Gegenmaßnahmen, Einschränkungen oder Anpassungen unserer Lebensverhältnisse – Fehlanzeige.

Wir haben also absolut kein Recht, uns über vorangegangene Generationen zu mokieren.

Selbstverständlich können wir mit unserem heutigen Wissen, Empfindungen und Erfahrungen feststellen, das die über 500 Jahre dauernde Kolonialzeit kein Ruhmesblatt für irgendeinen der beteiligten Staaten war. Zu damaliger Zeit sah und empfand man das aber eben anders. Das gleiche gilt im Übrigen auch für die seit 2000 Jahren andauernden Glaubenskriege, die Hexenverbrennungen, die zahlreichen Überfälle macht-trunkener Diktatoren u.v.m. 

Warum ich hierzu so klar Stellung nehme liegt daran, das gerade in den letzten 20 Jahren im Internet und teilweise auch in der Presse über die Arbeit Hedwig Heyls, vor allem in der Deutschen Kolonialgesellschaft in übelster Art und Weise hergezogen wurde,  o h n e Details zu kennen.

In vielen Deutschen Städten und sogar in Namibia sind Hedwig Heyl Straßen oder Hedwig  Heyl Schulen zu finden. Teilweise werden die, auf Grund dieser Verleumdungen, von Stadtverwaltungen, die sich nicht mal die Mühe machen, der Sache auf den Grund zu gehen, hier einfach umbenannt.

Wenn man bedenkt, was Hedwig Heyl für Millionen von Frauen, aber auch für das gesamte Deutsche Volk in 50 Jahren im sozialen, im Bildungs- im Gesundheits- und im Gesamtgesellschaftlichen Bereich erreicht hat, ist das nicht nur traurig und schändlich, sondern bedarf dringend einer Korrektur.

In den ersten Jahren des 20. Jahrhundert entwickelt Hedwig Heyl immer neue Projekte um nicht nur die Frauen zu stärken, sondern auch die medizinischen oder hygienischen Verhältnisse im Lande zu verbessern. So entwickelt sie spezielle Kochkurse für Ärzte, Krankenhauspersonal und Kindergärten. Sie kümmert sich um Krankenhaus- und Altenheim Hygiene. Auch die Ausbildung von Krankenschwestern und Altenpflegerinnen ist ihr wichtig.

Zusätzlich gründet sie immer weitere Ausbildungsstätten für Schneiderinnen, Blumenbinderinnen, Jugendheimleiterinnen und vielen mehr.

Hedwig Heyl kümmert sich nicht nur um Frauen unterer sozialer Schichten, sondern um Frauen aller Kreise. Um auch die Akademische Ausbildung für Frauen aller Schichten zu erreichen, setzt sie in Berlin, gemeinsam mit der bekannten Sozialpädagogin Helene Lange, die Zulassung zum Abitur für Frauen durch, sowie zu diversen Studiengängen, bis hin zum Medizinischen Examen.

Sie ist mittlerweile so bekannt in Deutschland, dass sie als Mutter der Nation oder Berlins beste Hausfrau betitelt wird.

Es ist die Zeit, wo das, von Robert Koch entwickelte Tuberkulin noch heftig umstritten ist. Daraus entwickelte der Volksmund schnell folgenden Spruch:

Lieber Gott, mögst uns bewahren

vor dem Kochschen Heilverfahren

Schütz uns lieber vor Gefahren

durch das Heylsche Kochverfahren

Im Jahre 1912 bereitet der Lyzeum-Club unter Hedwigs Leitung die Ausstellung “Die Frau in Haus und Beruf” vor.

Diese erste große Ausstellung, in den Hallen des zoologischen Gartens, wird ein so großer Erfolg, dass die Berliner Behörden, die Presse, Handel, Industrie und Handwerk, die sozialen Dienste der Stadt, sowie Kunst und Gewerbe lange davon profitieren. Der Erfolg ist auch deshalb so groß, weil diese Ausstellung weltweit als erste große Repräsentation des neuen Frauenbildes angesehen wird.

Anfang 1914 erhält auch der Deutsche Lyzeum-Club eine Einladung zu einem Kongress des internationalen Lyzeum-Clubs nach Paris. Hedwig Heyl, als Vorsitzende wird gemeldet. Die Deutsche Delegation erreicht große Erfolge mit überzeugenden Vorträgen.

Hedwig, als Frau, die vom Aussehen und Auftreten eine Erscheinung ist, die Würde, Kraft und Wohlwollen ausstrahlt und voller Humor und Liebenswürdigkeit Vorträge und Tischreden in ausgezeichnetem Französisch hält, begeistert alle Teilnehmer.

In den letzten Jahren hat Hedwig Heyl immer mehr, ihrer zahlreichen Vereine und Institutionen in “Bünden” zusammengeschlossen, z.B. Bund Deutscher Kochschulen oder Bund Deutscher Hygienevereine usw. um eine größere Effektivität zu erreichen und breiter aufgestellt zu sein.

Am 12. Januar 1913 wird, auf allerhöchsten Befehl seiner Majestät, des Kaisers und Königs eine Einladung zum Krönungs- und Ordensfeste für Frau Kommerzienrat Hedwig Heyl im Königlichen Schloss ausgesprochen. Diese Ordensverleihung des Luisenordens 2.ter Klasse ist eine der höchsten zivilen Auszeichnungen des Landes und eine große Ehrung für sie. In ihrem Autobiographischen Buch “Aus meinem Leben” beschreibt sie unter Anderem sehr detailliert diese Zeremonie mit viel höfischem Prunk und Etikette.

Da durch den Krieg die Verbindungen zu den Deutschen Kolonien weitgehendst unterbrochen werden und viele Frauen und Kinder dadurch von ihren Ernährern abgeschnitten sind, herrscht bald bittere Not. Hedwig Heyl tritt sofort einem Hilfsausschuss bei, der die Aufgabe übernimmt. die Fürsorge dieser Personen zu übernehmen.

Es gelingt ihr, einen Großteil der Frauen, in eigens eingerichteten Nähstuben, eine Erwerbsmöglichkeit zu bieten. Als in den Folgejahren immer mehr Familien, deren Ernährer gefallen oder gefangen sind, aus den Kolonien zurück kommen, nehmen sich die Frauen der Deutschen Kolonialgesellschaft den zurückkehrenden Frauen und Kinder an und sorgen für Unterkunft, Ernährung und Kleidung.

Hedwig Heyl schreibt ein Kriegs Kochbuch mit zeitgemäßen Kochvorschriften. Die Reichsregierung kauft es sofort auf und verteilt es kostenlos zu hunderttausenden Exemplaren. Auf Grund der großen Not bespricht sie mit dem Berliner Bürgermeister, Massenspeisungen zu organisieren.

Sie entwickelt die Rezepte mit gedruckten Vorschriften Gramm genau, die dann als Vorlage bei Massenspeisungen in vielen anderen deutschen Städten verwendet werden.

Ihre eigene Fabrik wird von ihr spontan umfunktioniert und umgebaut.

Man stellt nun überwiegend Fleisch- und Gemüsekonserven her. Hedwig wird in die Fleisch Kommission der Stadt Berlin berufen. Sie ruft die Berliner Bevölkerung dazu auf, überschüssiges Obst aus Gärten und Obstwiesen zusammen zu tragen und in der Heylschen Fabrik abzuliefern.

Daraus wird dann Marmelade für die notleidende Bevölkerung gemacht und verteilt.

Die Farbenfabrik ist also, in dieser schweren Zeit, auch noch Konserven- und Marmeladenfabrik.

Hedwig ist sich auch nicht zu schade, selbst bei der Konserven Produktion zu helfen, wie einige Bilder belegen.

Am Ende des ersten Weltkrieges übergibt sie die Geschäftsleitung der Firma Gebr. Heyl & Cie. in jüngere Hände, ist aber weiterhin noch beratend tätig.

Direkt nach dem Krieg 1918 wird Hedwig gebeten, als Abgeordnete der Deutschen Volkspartei, für die Charlottenburger Stadtverordneten Versammlung zu kandidieren. Sie kommt der Bitte nach und wird prompt gewählt. Beim Bürger Ausschuss Groß-Berlin wird sie, als einzige Frau in den Vorstand gewählt. Es soll die Zersplitterung Berlins in über 20 Einzelgemeinden beendet und ein Groß-Berlin geschaffen werden, was letztlich auch gelingt.

Ihr erster politischer Posten macht ihr jedoch nur wenig Freude, da sie sich bereits zu alt für diese neue Zeit fühlt und an den ständigen, verbalen Parteikämpfen keinen Gefallen findet.

Als sie dann nach einer Stadtverordnetensitzung von radikalen Elementen, angegriffen und leicht verletzt wird, legt sie kurz vor ihrem 70. Geburtstag, nach eineinhalb Jahren, das Mandat nieder und gibt das Parteibuch zurück. Politik ist eben nicht ihr Ding.

Als krönenden Höhepunkt ihres so reichen und erfüllten Arbeitslebens, erhält sie zu ihrem 70. Geburtstag 1920 den medizinischen Ehrendoktor Dr. med. h.c. der Berliner Humboldt Fakultät für ihre Verdienste um die Ernährungswissenschaft überreicht.

Kurz zuvor legt sie, aus gesundheitlichen Gründen, alle ihre Gesellschaftlichen und Vereinsämter nieder, steht aber jedem, der sie fragt, auch weiterhin mit Rat und Tat zur Verfügung. Sie blickt auf einen reichen Erfahrungsschatz zurück, den sie gerne an folgende Generationen weitergibt. 

“Immer sind begeisterte Menschen die Träger zukünftiger Entwicklungen”. Dieser, von ihr geprägte Satz passt zu niemanden besser, als zu Hedwig Heyl selbst.

“Ich wollte niemals den Mann ersetzen, sondern der Frau durch Leistungen das Recht erkämpfen, im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Anlagen gleichberechtigt mit ihm das Leben zu gestalten” sagt Hedwig Heyl vier Jahre vor ihrem Tod bei einem Vortrag im Deutschen Lyzeum-Club und drückt damit treffend ihre Lebensempfindungen aus.

Die letzten Jahre ihres Lebens verbringt sie in der Gästewohnung des Lyzeum-Clubs, der ihr am Lebensende Heimat geworden ist.

Im Laufe ihres Lebens verfasst sie unzählige Kochbücher, Bücher zur Volkshygiene, Gartenbau, Vegetarische Küche, Resteverwertung in der Küche, Volksgesundheit und Lehrbücher für Hauswirtschaft, Kochen und vieles mehr. Ihr wichtigstes Werk ist jedoch das ABC der Küche.

In den letzten Lebensjahren bringt sie noch die Autobiographie “Aus meinem Leben” heraus, in der man tief in die bewegte Zeit ihres Lebens eintauchen kann.

Kurz vor ihrem Tode, Ende 1933 wird sie von einem Journalisten gefragt, wie sie denn mit ihrem Alter zurecht komme und wie sie ihr Lebenswerk empfinde. Sie Antwortete in ihrer eigenen Art:“Ja, das Alter hat mehr Weisheit…. Schon weil die schwindende Welt äußerlich keinen Reiz mehr hat und dem schönen Schein tiefer Erkenntnis Platz macht. Man hat ein reiches Leben, mit großen Menschen und Zeiten hinter sich, ist gereift in Leid und Verstehen… und hat sich bestrebt, nicht selbstsüchtig, sondern gut zu sein. Daher werde ich auch von Tausenden Mutter genannt, was ich in Gottes Sinne trachtete zu sein!”

Am 23.01.1934, ihrem Hochzeitstag vor 65 Jahren, stirbt Hedwig Heyl friedlich im Kreise ihrer Familie und guten Freunden, in ihrer Wohnung im Lyzeum-Club.

Es bleibt ihr erspart, sich mit der Tyrannei des Dritten Reichs auseinander zu setzen, was sie, in ihrem aktiven Leben, genau wie die Eingangs erwähnte Anna von Gierke gewiss nicht gescheut hätte.

Die Trauerfeier findet in der, mit unzähligen Blumen geschmückten, völlig überfüllten Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche statt. Tausende wollen am Begräbnis ihrer geliebten “Mutter” teilnehmen und füllen den Kurfürstendamm, und umliegende Straßen. Der Berliner Senat ernennt sie postum zur Ehrenbürgerin Berlins und übernimmt die Kosten des Begräbnisses und die Grabpflege für die nächsten 80 Jahre.

Sie wird im Heylschen Familien Mausoleum auf dem Luisenfriedhof II in Charlottenburg unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.

Heute erscheinen ihre Ziele, wie z.B. das Eintreten für Frauenberufe, Das Wahlrecht für Frauen und vieles mehr, durchaus selbstverständlich.

In einer Zeit aber, die den Frauen die nötige Intelligenz und das Können absprechen wollte, stößt Hedwig Heyl oft auf Widerstand offizieller Stellen, die von Männerbürokratie geleitet werden. Auch die Kritik ihrer Gesellschaftsschicht, die der Tatkraft und Energie dieser Frau oft befremdlich gegenüber steht, hindert sie nicht, ihren Weg zu gehen und mit Zielstrebigkeit, Überzeugung und Vorleben, ihre Ideen in die Tat umzusetzen.

Jedoch kann die Beste nicht in Frieden ruhen, wenn es den bösen Zeitgenossen nicht gefällt.

Diese Abwandlung des bekannten Sprichworts trifft leider auch auf Hedwig Heyl zu.

Im Internet tauchen vor ca. 15 Jahren plötzlich wüste Parolen auf, wonach Hedwig Heyl eine glühende Verehrerin der Nazis sein soll und dafür gekämpft hat, Hitler 1933 an die Macht zu bringen. Das ist nicht nur gelogen, sondern eine ungeheuerliche Verunglimpfung und völlige Verdrehung der Tatsachen.

Hedwig Heyl hat bereits an ihrem 70. Geburtstag, also 1920, alle Ämter aufgegeben und sich ins Privatleben zurückgezogen.

Wer ihr bisheriges Leben verfolgt hat weiß, das Sie mit den Machenschaften dieses Unrechtsregimes schon deshalb nichts gemein hat, da die Nazis zu ihren sozialen Einstellungen absolut Konträr stehen.

Auch das trägt postum zum schlechten Ruf einer Frau bei, die ihr ganzes Leben in den Dienst der Menschlichkeit gestellt hat.

Es ist durch zahlreiche Pressebelege jener Zeit, private Unterlagen, ihre persönliche Autobiographie und Aussagen der Tochter, Rose Henriette Heyl und ihres Enkels, Dr. Georg Heyl nachweisbar, das Hedwig Heyl, zu keiner Zeit, mit dem Naziregime in irgend einer Form geliebäugelt hatte oder sich in irgendeiner Weise politisch zu äußern. Sie starb dann am 23. Januar 1934 mit 84 Jahren. Als Hitler 1933 an die Macht kam, war sie bereits 83 Jahre alt und überhaupt nicht mehr in der Verfassung.

Um so trauriger ist es, dass durch derartige, im Netz verbreitete, unqualifizierte und bösartige Aussagen, die Lebensleistung eines Menschen, der sich zu seiner Zeit wirklich um Menschenleben und Menschenwürde gesorgt hat und unendlich viel für unser Land getan hat, so in den Schmutz gezogen wird.

Noch trauriger ist jedoch, das es, gerade bei Stadt- und Landesverwaltungen offensichtlich genügend Steigbügelhalter gibt, die ohne Sachprüfungen diesen Aussagen Glauben schenken und Straßen- oder Schulgebäudenamen einfach ändern und es damit zulassen, dass das Lebenswerk Hedwig Heyls im Netz weiter verunglimpft wird. Die Frau, die immer an das Gute im Menschen glaubte, würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, wie ihre Arbeit ca. 80 Jahre nach ihrem Tod in den Dreck gezogen wird. Auch das bedarf also dringend einer Korrektur!

Wie kann es überhaupt soweit kommen, das verdiente, in der Öffentlichkeit stehende Personen sogar noch posthum so verunglimpft werden. Auch, der Anfangs erwähnten Helene Lange ist posthum ähnliches passiert.

Wie kann es überhaupt zu dieser Macht der Medien kommen? Wir alle sind leider selbst auch nicht unschuldig daran. Wir sind viel zu vertrauensselig und träge geworden und hinterfragen die Berichterstattung der Medien nicht mehr. Was in der Presse oder im Netz steht, wird schon stimmen.

Aber die Unvoreingenommenheit der Medien ist heute zum größten Teil leider nicht mehr gegeben, da oft genug politische oder wirtschaftliche Interessen eine größere Rolle spielen.

Viele Medienschaffende denken auch nicht mehr selbst, sondern lassen denken, schreiben voneinander ab oder plappern den größten Mist einfach ungeprüft nach. Hinzu kommt ein großes Maß an Hass und Hetze, die vor allem von rechten und linken Gruppen geschürt wird, um ihr eigenes Süppchen kochen zu können.

Wir alle sollten so etwas nicht widerspruchslos hinnehmen, sondern (uns, wo immer es geht dagegen zur Wehr setzen und ) kritischer mit den Medien, den politischen Parteien, den Wirtschaftslenkern und ihren Interessenverbänden umgehen.

Vielen Dank für Ihr Interesse

Klaus J Heyl

 

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