07. Ein tränenreicher Abschied

Kapitel 07  und Kapitel 08

07. Ein tränenreicher Abschied

So rückt der Samstag vor der Abreise und damit auch das Abschiedsfest für ihre Freunde und Bekannte unaufhaltsam näher. Giorgio und seine Kinder haben jeder eine persönliche Gästeliste zusammengestellt. Insgesamt kommen sie auf fast vierzig Personen. Frau Herzig meint, dass das an der Grenze des Machbaren ist, da ja die halbe Wohnung bereits mit Kartons und Koffern voll gestellt ist. Sie ist, gemeinsam mit Flo und Bolle bereits seit zwei Tagen mit Vorbereitungen beschäftigt und plant ein großes Buffet. Ehrgeizig genug sind ja alle drei und Giorgio ist sich sicher, dass sie das fantastisch meistern werden. Max stellt auf der großen Dachterrasse mehrere Heizstrahler auf. Wegen der milden Witterung kann sie ohne Probleme mitbenutzt werden. Überall hat er Tische und Bänke und mehrere Sonnenschirme aufgebaut und die große Markise ausgefahren, um bereits Anfang März eine Frühlings Atmosphäre aufkommen zu lassen. Für die verfrorenen Besucher ist im Wohnzimmer und in der gemütlichen Küche genügend Platz vorhanden.

Ab halb Acht trudeln die ersten Gäste ein und eine Stunde später ist die Bude rappel voll und die Stimmung bombig. Nicht nur die Freunde der Kinder sind vollzählig versammelt, sondern auch Nachbarn aus dem Haus, einschließlich Dr. Emden mit seiner Elisabeth und alle Mitarbeiter von Giorgio und Hubertus. Dieser ist selbstverständlich mit Freundin erschienen. Auch Theo hat es geschafft, ihren Freund zu überreden, erst morgen seine Geschäftsreise nach London anzutreten. Einige Geschäftspartner und Kollegen von Giorgio haben es sich nicht nehmen lassen, die Weltenbummler gebührend zu verabschieden. Theresa´s Eltern sind selbstverständlich auch gekommen und wollen mit Giorgio sicherheitshalber noch einiges wegen der Obhut ihrer Tochter besprechen.

Mit etwas Verspätung trudeln auch Haberland´s, die Eltern von Pias Freundin Naina, die Giorgio schon seit langem kennt und bringen ihnen zum Abschied einen Reiseführer der speziellen Art mit. Naina´s Vater ist als Diplomat bereits in allen fünf Kontinenten gewesen und hat seine Kenntnisse, Tricks und Kniffe bei den ausländischen Behörden und Diplomatischen Kanälen in aller Welt extra für sie in einer Broschüre zusammengestellt, mit genauen Adressen, Telefonnummern und den jeweiligen Ansprechpartnern. „Wenn sie in Schwierigkeiten sein sollten, rufen sie die entsprechenden Leute an, sagen sie einen Gruß von mir. Ich bin sicher, Ihnen wird weitergeholfen,“ lächeld Dr. Haberland. Giorgio ist hocherfreut und weiß gar nicht was er sagen soll. Seit einer ganzen Weile war ihm im Kopf herumgegangen, wie sie es, und vor allem, was sie anstellen sollten, wenn sie in irgendeiner Bananenrepublik in Schwierigkeiten kommen sollten. Korruption und Vetternwirtschaft ist in diesen Ländern ja durchaus normal.

Wenn man dann die richtigen Adressen hat, kann das Gold wert sein, oder sogar Leben retten. „Diese Broschüre werde ich hüten, wie meinen Augapfel. Vielen Dank Dr. Haberland, den Wert dieser Adressen weiß ich durchaus zu schätzen!“  Auch Herr Lauritzen, Theresas Vater, der das mitbekommen hat und als Kaffeehändler viel in solchen Ländern unterwegs ist, meint: „Gute Kontakte und Beziehungen können dort mehr Wert sein als Geld. Ich bin schon manches Mal in Situationen gekommen, bei denen ich ohne Hilfe oder Vermittlung von Freunden in ernsthafte Schwierigkeiten gekommen wäre. Die Netzwerke in diesen Ländern sind bewundernswert. Sie werden erleben, das Ihnen von wildfremden Menschen weitergeholfen wird, nur weil der einen kennt, der wiederum einen kennt und dessen Bekannter der Cousin des Freundes ist, dessen Adresse sie bekommen haben.“

Der Abend schreitet feucht, fröhlich fort, biss plötzlich Giorgio aufsteht, mit einem Löffel an sein Glas klopfte und in die eintretende Stille hinein ruft: „Liebe Freunde, wir haben heute Abend nicht nur unseren Abschied zu feiern, sondern auch die Verabschiedung eines sehr lieben Menschen, der uns weit über zwanzig Jahre die Treue gehalten, Freud und Leid mit uns geteilt teilte, durch alle Höhen und Tiefen mit uns gegangen ist und den Humor trotzdem nie verloren hat. Der auch einen erheblichen Anteil daran hat, das aus meinen drei Kindern einigermaßen brauchbare Mitglieder der menschlichen Gesellschaft geworden sind und nicht zuletzt dafür sorgte, das wir in den letzten Jahren nicht verlottert sind und immer ordentlich zu essen hatten.

So bleibt es nicht aus, das sich alle drei Damen heulend in den Armen liegen und Frau Herzig mit hochrotem Kopf, verlegen und schluchzend stottert: „Danke für die schöne Rede, Herr Lindner. Auch ich habe die Jahre in Ihrer Familie, die im Laufe der Zeit ja auch meine Familie wurde, genossen. Mir fällt es sooo schwer, jetzt Abschied zu nehmen.“ schon heult sie wieder. Giorgio nutzt die Zeit und drückt ihr zunächst den kleinen Umschlag in die Hand.

Darin ist als Abschiedsgeschenk ein Scheck mit einer fünfstelligen Summe für ihren neuen Lebensabschnitt. Gleich danach übergeben die Kinder den großen Umschlag, in dem ein großes Foto von ihnen allen ist und ein ebenso großes Foto von dem neuen Strand-korb, den sie ausgesucht und gleich nach Amrum geschickt haben. Das ist zu viel für Henriette. Jetzt nehmen ihre Tränen freien Lauf und sie rennt aus dem Zimmer. Flo läuft hinter ihr her, um sie zu trösten. Max ruft erklärend: Frau Herzig hat für ihr Häuschen hinterm Deich auf Amrum einen Strandkorb von uns bekommen!“ und hört allgemeine Begeisterung.Nach einer Weile kommt Frau Herzig, mit leicht verheultem Gesicht, aber doch strahlend zurück und zeigt jedem die Fotos von ihrem neuen Strandkorb. Giorgio und seine Kinder freuen sich, dass ihr Geschenk so gut ankommt.

Je weiter der Abend fortschreitet, um so ruhiger und bedrückter wurden Naina, Laurin und Alexandra. Alle Drei haben jetzt doch große Probleme mit dem Abschied ihrer Freunde. Der Trennungsschmerz, unterstützt vom Alkohol, übermannt sie. Naina und Pia liegen sich mal wieder in den Armen und versprechen sich zum dreihundertsiebenundzwanzigsten Mal, mindestens zweimal in der Woche zu telefonieren und sich sobald wie möglich irgendwo auf der Welt zu besuchen.

Flo und Laurin hat es besonders schwer erwischt, sie verschwinden des Öfteren in ihrem Zimmer, um sich noch ein letztes Mal ganz nahe zu sein und kommen nach jeweils einer halben Stunde mit verheulten Augen wieder zum Vorschein. Aus dem letzten Mal wird dann noch ein allerletztes und danach noch ein aller allerletztes Mal. Es ist ja auch hart, sooo verliebt und dann sooo lange getrennt zu sein. Bolle wird in drei Wochen in die USA fliegen um dort seine erste Stelle als Koch in einem Luxushotel in New Orleans anzutreten. Sie rechnen sich entsetzt aus, dass sie sich erst Ende des Jahres in New Orleans wieder sehen können und Flo bricht erneut in Tränen aus. Bolle bringt plötzlich die Idee auf: „Liebste Flo, ich habe doch im Sommer Urlaub. Da fliege ich Euch einfach ein Stück entgegen, zum Beispiel nach Barbados und dann machen wir einen Teil des Törns bis Antigua zusammen, was hältst Du davon. Meinst Du, das Dein alter Herr damit einverstanden ist?“

Laurin glüht förmlich bei dem Gedanken. Flo hört schlagartig auf zu weinen, schmiegt sich eng an ihn und flüstert: „Mein großer Bär hat wieder mal die besten Ideen. So machen wir es. Giorgio hat mit Sicherheit nichts dagegen. Max und Theresa sind doch auch zusammen und Platz haben wir genug.“ Beide geben sich wieder einmal, diesmal deutlich unbeschwerter, der schönsten Nebensache der Welt hin und vergessen alles um sich herum.

Alles in allem ist es ein gelungenes Fest. Giorgio und die Kinder kommen erst gegen fünf Uhr morgens ins Bett, obwohl sie sich eigentlich für diesen Sonntag noch viel vorgenommen haben. Nachdem sie gerade mal fünf Stunden geschlafen haben, scheucht Giorgio alle wieder mit dem Ruf aus dem Bett: „Los, Leute aufstehen, sonst schaffen wir unser Pensum nicht. Wir wollen schließlich morgen früh losfahren!“ Vor allem Flo guckt ihn giftig und verschlafen an, da sie, auf Grund ihrer nächtlichen Abschiedsaktivitäten mit Laurin, die größten Schwierigkeiten hat. Es müssen noch alle möglichen Koffer und Seesäcke gepackt, die beiden VW Busse besorgt und diverse Briefe, Anträge, Formulare ausgefüllt werden. Giorgio achtet penibel darauf, dass er alle Visa, Dokumente und sonstige, wichtige Papiere von sich, seinen Kindern, Theresa und Columbus unter Verschluss hat, da er  unbedingt auf Nummer sicher gehen will.

An diesem Sonntag sieht die Wohnung wie ein Schlachtfeld aus. Alle laufen hin und her. Jeder sucht ständig irgendetwas. Endlich, am späten Nachmittag sind die meisten Koffer, Taschen und Seesäcke randvoll gepackt und der notwendige Papierkrieg erledigt. Giorgio und Max fahren gerade mit den beiden gemieteten VW Bussen vor und haben das Glück, fast direkt vor dem Haus zwei Parkplätze nebeneinander zu finden, was in dieser Straße eine absolute Seltenheit ist.Was haltet Ihr davon, heute Abend noch mal ´ne Pizza bei Alfredo zu verdrücken“? schlägt Max gerade vor.

Unsinn, das kommt überhaupt nicht in Frage, an unserem letzten gemeinsamen Abend werde ich doch wohl noch mal kochen dürfen. Ich habe scharfen, ungarischen Gulasch mit Knödeln vorbereitet, den Ihr so gern mögt!“ Frau Herzig ist fast beleidigt und duldet keinen Widerspruch. Giorgio unterstützt sie „Heute Abend essen wir zu Hause, wir sind doch jetzt lange genug unterwegs und Pizza könnt Ihr noch oft genug essen, aber Henriettes Kochkünste nur noch heute genießen.“Kaum hat er das jedoch gesagt, ist es mit Frau Herzig´s Fassung wieder vorbei. Sie schluchzt: „Ich weiß gar nicht, wie ich das ohne Euch alle aushalten soll. Was soll ich denn bloß den ganzen Tag machen?“ Sie sieht Pia verzweifelt an. Ach Henriette, wenn Dir zu langweilig ist, besuchst Du uns zwischendurch einfach mal, fährst ein Stück mit uns und kannst dann von einem anderen Hafen wieder zurückfliegen. Ist doch heute kein Problem mehr.“ „Ich bin doch noch nie geflogen,“ heult sie weiter.

Giorgio schlägt vor, dass Frau Herzig auf die Kanarischen Inseln fliegen soll, wenn sie La Palma anlaufen und mit ihnen einige schöne Tage dort verbringen kann. Den Flug würde er bezahlen. Die Aussicht, ihre Familie doch in absehbarer Zeit wieder zu sehen, lies den Tränenstrom versiegen. Sie meinte glücklich lächelnd:„Na gut, dann werde ich meinen Mut zusammen nehmen und mich mal in so´n Flugzeug setzten und jetzt kommt endlich essen!“

Für Montagmorgen um zehn Uhr ist die Abfahrt angesetzt. Alle sind schon kurz vor sieben auf den Beinen und können vor Aufregung und Reisefieber kaum einen Bissen des leckeren Frühstücks von Frau Herzig runter bringen. Also schlürfen sie nur etwas Kaffee. Henriette packt ihnen Brote, Obst, Joghurt und Kuchen für die Fahrt ein und legt auch noch eine große Thermoskanne Milchkaffee dazu. Giorgio, Theresa und Max stapeln zigmal den Fahrstuhl mit Gepäck voll und beladen die Autos, während Flo und Pia die letzten Küchen-utensilien, Wasch und Kosmetiksachen einpacken. Kurz vor zehn Uhr sind beide Autos randvoll bepackt, was man durch die dunkel getönten Scheiben jedoch von außen zum Glück nicht sehen kann. Sie verabschieden sich in der Wohnung gerade von Henriette, als es an der Tür Sturm klingelt. Es ist jedoch niemand zu sehen, auch an der Gegensprechanlage antwortet keiner. „Bestimmt nur ein Klingelstreich“, vermutet Frau Herzig und schiebt die ganze Familie langsam zur Tür.

Kolumbus bellt und tänzelt die ganze Zeit um Flo und Pia herum. Pia und Giorgio gehen noch ein letztes Mal durch alle Räume und fragen sich leicht wehmütig, wann sie ihre schöne Wohnung wohl wieder sehen werden.Als sie endlich die Straße betreten, staunen sie nicht schlecht. Fast alle Freunde, die auch auf der Abschiedsparty waren, haben sich zum Abschied vor dem Haus versammelt und begrüßen sie mit lautem Hallo. Laurin, Alexandra und Naina haben sogar weiße, extra große Bettlacken zum Winken mitgebracht, wobei sie sich jetzt aber nicht ganz sicher sind, ob sie die Laken wirklich zum Winken oder lieber als Taschentuch benutzen sollen. Hubertus hat noch eine Magnum Flasche Champagner dabei und überreicht sie jetzt Giorgio feierlich: „Die Flasche köpft Ihr auf mein Wohl, wenn Ihr Eure Äquatortaufe habt und denkt dabei hoffentlich an die armen, zurückgebliebenen Werktätigen im kalten Deutschland, die Euch heute hier verabschieden!“ Dann drückt er Giorgio, die Kinder und Theresa an sein breites Kreuz und spürt nun doch ein Paar Tränen im Augenwinkel. Alle anderen umarmen und küssen sich immer wieder. Es fällt allen sichtlich schwer, Abschied zu nehmen.Zum Schluss drückt Elisabeth Emden, Pia ganz verstohlen ein etwas abgegriffenes Stoffhäschen in die Hand und flüstert: „Dieser kleine Hase hat mir immer Glück gebracht, jetzt soll er Euch auf Eurer Reise beschützen.“ Pia ist gerührt und bedankt sich artig. „Danke Frau Emden, der Hase bekommt auf unserem Schiff einen Ehrenplatz und wenn wir wieder zurück sind, bekommen sie ihn wieder!“

Um halb elf drängt Giorgio entschieden zum Aufbruch. Sie starten und die Zurückbleibenden schwenken mit lautem Hallo ihre Betttücher und Fähnchen. Sie winken, bis die Rücklichter nicht mehr erkennbar sind. Manch einer hat mit den Tränen zu kämpfen. Wieder ist es Hubertus, der die Trauergemeinde auflockert, in dem er ruft: „Lasst uns auf unsere Freunde drüben in der Kneipe noch einen trinken, auf das sie gesund und munter wiederkommen mögen!“ Er zieht Naina und Alexandra bereits mit sich.

Quer durch Deutschland geht ihre Route auf der Autobahn immer nur geradeaus, Richtung Basel, am Vierwaldstädter See entlang, durch den Gotthard Tunnel, anschließend am Ostufer des Lago Maggiore, auf die Autobahn Richtung Genua und dann an der Riviera entlang bis Porto Maurizio. So können sie die Staus um Mailand umgehen und die schönsten Landschaften genießen. Wegen Kolumbus machen sie öfter Pausen und übernachten auf halber Strecke, im südlichen Schwarzwald in einem urigen Landgasthof.

 

08  –  Tschüss, ihr Landratten

Wie Giorgio voraussagte, können sie am nächsten Tag gegen halb sechs die Autostrada bei Imperia verlassen und kämpfen sich langsam im dichten italienischen Feierabendverkehr den Berg herunter, Richtung Porto Maurizio. Als sie in den Hafen einbiegen, sehen sie schon von weitem die Catalina in den letzten Sonnenstrahlen blitzen und sind erneut von der Schönheit dieses ehrwürdigen Seglers überwältigt. Vor allem Theresa, die das Schiff ja noch nicht gesehen hat, ist tief beeindruckt und ruft beim aussteigen begeistert: „Max, ich würde mir ewig in den Hintern beißen, wenn ich diese Reise nicht mitgemacht hätte!“ Bloß nicht, Dein Hintern gefällt mir so, wie er ist,“ grinst er.

Kaum haben sie die Autos längsseits gebracht, taucht schon Luigi auf und begrüßt die Lindners überschwänglich. „Ich schon warten zwei Stunden und haben alles fertig mit die Schiff. Die Werft in Genua hat schon fertig das Schiff am Freitag und alles für die große Fahrt vorbereitet. Ich habe mit eine Amigo zusammen die Catalina am Sonntag hierher gebracht. Gestern, ich alles aufgeklart und verstaut und nun sie können los segeln auf große Fahrt“, strahlt er wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. „Langsam Luigi“, grinst Giorgio. „Zuerst machen wir noch mal einen gemeinsamen Rundgang durch das Schiff. Theresa hat ja noch nichts weiter gesehen. Dann werden wir in Ruhe die Autos auspacken und anschließend gemütlich mit Dir essen gehen. Du bist eingeladen.

Morgen müssen wir noch Proviant, Wasser und Diesel bunkern, die Autos wegbringen, in Ruhe alles verstauen und Übermorgen früh gegen acht werden wir in See stechen, Richtung Korsika.“ Giorgio ist bester Laune und freut sich, dass auf Luigi wirklich Verlass ist und er alles so toll vorbereitet hat. Beim anschließenden Rundgang durch das Schiff kommt Theresa aus dem Staunen nicht heraus und stößt immer wieder Begeisterungs-rufe aus. Auch Flo und Pia waren aufs Neue schwer angetan und entdecken Dinge, die ihnen bei ihrem ersten Besuch gar nicht aufgefallen waren.

Dann legen sie fest, wer welche Kabine bekommen soll. Flo will unbedingt die Rote

Vergleichsweise zwei Kabinen de Sea Cloud

haben, Theresa und Max entscheiden sich für die Gelbe, Pia für die Grüne und für Giorgio bleibt noch die Blaue übrig. Aber damit ist er durchaus einverstanden. Und wo soll Kolumbus schlafen?“ fragt Pia „Wo ist der überhaupt?“ Sie schaut sich suchend um, kann aber keinen Hund entdecken. Plötzlich rufen alle aufgeregt nach Kolumbus, bekommen aber keine Antwort. Das gibt’s doch nicht, der war doch eben noch da,“ wundert sich Max Auf Deck, ich habe ihn nicht gesehen,“ bemerkt Luigi. „Ist der etwa noch an Land?“ Flo hat leichte Panik in der Stimme, rennt den Niedergang hoch, um auf Deck Ausschau zu halten. Max und Pia laufen hinterher und spähen über den Kai.

Der ist voll mit etlichen leeren Fischkisten, jeder Menge Netze und ein Paar Containern.

Tatsächlich, ungefähr Fünfzig Meter von der Catalina entfernt, wühlt Kolumbus mitten in einem Stapel Fischkisten und lässt sich durch nichts stören. Flo und Pia sind erleichtert und ärgerlich zugleich, weil sie vor lauter Begeisterung über die Catalina, Kolumbus ganz vergessen haben. Sie nehmen sich vor, einen „Hundebewachungsplan“ aufzustellen, zumindest so lange, bis sich Kolumbus an sein Leben als Schiffsmaskottchen und Aufpasser gewöhnt hat. Kolumbus kann anfangs bei mir schlafen,“ bietet Flo an: „Später, wenn er sich an das Schiffsleben gewöhnt hat, kann er sich selbst einen Schlafplatz suchen.“

Das Ausladen der Autos dauert über eine Stunde. Sie stapeln zunächst alles im Salon und in den nicht genutzten Heck Kabinen, um von dort in Ruhe zu verteilen. Flo hat etliches an Küchenutensilien mitgenommen und freut sich schon darauf, ihre Küche, äh Pantry, nach ihren Wünschen einzurichten. Um acht Uhr kommt Luigi zurück und holt sie zum Essen ab. Er hat ein gemütliches Ristorante etwas außerhalb vorgeschlagen, was für seine gute regionale Küche berühmt ist. Sie verbringen dort noch einen fröhlichen Abend. Luigi erzählt von seiner Zeit in Deutschland und gibt etliche Geschichten zum Besten, als er noch zur See fuhr. Giorgio wird aber den Verdacht nicht los, dass ein großer Teil seiner Geschichten gut gesponnenes Seemannsgarn sind und meldet das eine oder andere Mal lachend Zweifel an. Bei Ehre von meine sizilianische Großmutter, ich sagen nur die Wahrheit!“ trumpft Luigi auf. Giorgio kann sich nicht daran erinnern, dass Luigi jemals eine sizilianische Großmutter erwähnt hat und erinnert ihn daran. Stimmt, Giorgio, ich nur vergessen, meine Großmutter sein aus Genova.“ Alle lachen, bis ihnen die Tränen laufen. Die Stimmungskanone Luigi ist zufrieden mit seinem Erfolg.

Am nächsten Morgen rumort Flo bereits um sieben Uhr in der Kombüse herum und versucht sich zurecht zu finden. Sie will ihre Utensilien unterbringen und gleichzeitig ein erstes Frühstück zaubern. Sie staunt nicht schlecht, wie komplett der Kombüsen Bereich bereits war und wie viel Platz für Vorräte vorhanden ist. Nachdem sie ihre Familie aus den Kojen geworfen hat und alle zusammen um den großen Tisch im Salon beim Frühstück sitzen, holt sie Papier und fordert den Rest der Mannschaft auf, mit ihr eine Proviantliste zu erstellen. Mit frischen Sachen wie Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse und Brot sollten wir uns immer nur so viel eindecken, das wir gut in den nächsten Hafen kommen und dann wieder frisch einkaufen. Alles andere, länger haltbare, können wir hier bunkern und von Zeit zu Zeit nachkaufen. Wir fahren dann in den Supermercado und besorgen alles, bevor wir die Autos zurückbringen.“ macht sich Giorgio bereits Gedanken.

Schon in Hamburg haben die fünf festgelegt, wer für welche Aufgaben zuständig und somit auch verantwortlich ist. Giorgio ist zweifelsfrei der Kapitän und Zahlmeister. Er hat die Gesamtverantwortung und ist für Kursberechnungen, die Zahlungsmittel und den ganzen Papierkrieg zuständig. Theresa wird zur Proviant Meisterin ernannt. Sie ist für den Einkauf ausreichender Vorräte, aber auch aller technischer Artikel und Schiffszubehör verantwortlich. Auch das Bunkern von Trinkwasser und Diesel gehört zu ihren Aufgaben. Pia soll sie unterstützen und ist für Ordnung, Sauberkeit und Pflege auf dem Schiff, sowohl über, wie auch unter Deck, zuständig. Giorgio traut Pia mit ihrer ruhigen und ausgleichenden Art am ehesten zu, auf den Rest der Mannschaft positiv einwirken zu können, ihre Kabinen und sonstige Räume sauber und in Ordnung zu halten. Außerdem ist Pia für das Logbuch verantwortlich. Flo hat sich selbst zum Smutje ernannt und erklärt sich für das leibliche Wohl der ganzen Crew zuständig. Max ist für die gesamte Technik und die Wartung der Motoren, Pumpen, des Generators und sonstiger technischer Geräte zuständig. Da er durch die Bundeswehr über eine umfangreiche Sanitätsausbildung verfügt, wird er von Giorgio kurzerhand auch noch zum Medizinmann an Bord erklärt. Kolumbus schließlich übernimmt den Wachdienst an Bord, da sein Gebell durchaus abschreckend wirken kann.

Alle zusammen sind sie unter der Oberleitung von Käpt´n Giorgio auch für die Pflege und Instandhaltung der Takelage, der Segel, Anker, des Beiboots, der Rettungsmittel und des Decks verantwortlich.

Da nun alle, außer Theresa, über seemännische Kenntnisse verfügen, hat man verabredet, reihum die Deckswache und das Steuern des Schiffes zu übernehmen. Die Dauer der Wache wollen sie den Notwendigkeiten auf See anpassen, wobei Giorgio nicht mehr als maximal vier Stunden zulassen will.

Foto Martina Kleinsorg

Die Einkaufsliste ist zwischen-zeitlich, trotz vieler gestrichener Wünsche, auf zweieinhalb Seiten angewachsen. Giorgio drängt zum Aufbruch und sie fahren, außer Flo und Kolumbus, mit beiden Autos nach Imperia zum Supermercado. Nach über einer Stunde haben sie vier große Einkaufswagen gefüllt und streben zur Kasse.

Nur gut, das ich eben noch bei der Bank war und Geld geholt habe“, seufzt Giorgio. Seht mal, da drüben gibt’s Anhänger für Fahrräder, gar nicht so teuer, wollen wir nicht einen kaufen? Dann wäre das Problem Proviant Transport gelöst. Wir wissen ja schließlich nicht, wie weit die Geschäfte von den Häfen weg sind!“ Erklärt Max, Giorgio stimmt spontan zu. Also kommen sie nach drei Stunden voll bepackt zum Schiff zurück und erwischen Flo bei einem ersten Sonnenbad auf Deck.

Sie laden zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden die Autos aus und verstauen alles auf dem Schiff. So, jetzt glaube ich, haben wir alles und können die Autos wegbringen.“ Giorgio hievt mit Max zum Schluss noch den soeben gekauften Fahrradanhänger an Bord. „Wenn wir zurückkommen, richten wir uns häuslich äh, ich meine schiffsmäßig ein.“

Sie sind in das verstauen und aufklaren des Schiffes vertieft, als plötzlich eine dunkle Stimme vom Kai aus ruft: „Ich bitte kommen zu dürfen an Bord!“ Es ist der ehrenwerte Notar Palmiotta, der es sich nicht nehmen lässt, Vittorios Familie höchstpersönlich zu verabschieden. Giorgio freut sich, ihn zu sehen, kommt die Gangway runter geklettert um ihn an Bord zu begleiten. Dottore, ich freue mich, sie zu sehen. Ich habe gehofft, das sie noch vorbeikommen und vorsichtshalber schon mal ne Flasche Wein kaltgestellt.“ Palmiotta strahlt und hüpft leichtfüßig die Gangway hoch. Im Salon gibt es ein großes Hallo. Giorgio stellt Theresa und selbstverständlich auch Kolumbus vor. Schon sitzen alle zusammen um den Tisch. Flo hat schnell Wein und Gläser herbeigezaubert. Palmiotta prostet allen zu. „Ich wünsche eine glückliche Reise Ihnen und das sie alle gesund kommen zurück. Vor allem, das Vittorio nicht muss bereuen, seine verrückte Testamente!“ Er blickt leicht wehmütig zu Vittorios Portrait.

Plötzlich macht er ein nachdenkliches Gesicht und fragt: „Wenn sie kommen zurück, wohin sie dann fahren mit die Schiff. Wieder hierher, nach Porto Maurizio oder nach Germania?“ „Lieber Dottore. Wir haben das schöne Ligurien schätzen gelernt und in Luigi und Ihnen wirkliche Freunde gefunden. Wenn Luigi bereit wäre, das Schiff auch nach unserer Rückkehr zu warten und zu betreuen, können wir in ganz Europa keinen besseren Liegeplatz für unser Schiff finden. Wir haben dann immer einen Grund, hierher zu kommen und ich hoffe, das auch wir beide noch so manchen Segeltörn miteinander machen können.“ Über diese Worte freut Palmiotta sich wie ein Kind und drückt Giorgio ergriffen und sprachlos die Hand. Was haltet Ihr davon, wenn wir alle miteinander zum Abschied noch leckere Pasta essen gehen?“ fragte Giorgio und erntet laute Zustimmung. Sie quetschen sich zu sechst in den Range Rover des Notars und fahren zu dem Ristorante, welches Pia schon beim ersten Besuch von einem Touri empfohlen bekam.

Kaum haben sie Platz genommen, kommt Luigi auf ihren Tisch zugesteuert. Max hat ihn angerufen und dazu geladen. Als der Wein auf dem Tisch stand, erhebt sich Palmiotta und verkündet feierlich: Meine Freunde, ich hoffe, ich darf so nennen? Wir haben bereits einige schöne Tage gebracht miteinander und ganze Familia sein mir sympathisch. Ich bin nun der älteste hier an diese Tisch und ich machen Angebot, zu sagen Du miteinander, wenn wollen, ich heißen Alessandro!“ Er setzt sich wieder und Giorgio steht jetzt etwas verlegen auf und erwiderte: „Lieber Alessandro, es ist uns allen eine Ehre, einen solchen Freund wie Dich zu haben und wir nehmen Dein Angebot gern an. Unsere Namen kennst Du ja bereits, also dann lass uns darauf trinken!“ Er erhebt sein Glas, ruft Salute und strahlt ihn an. Auch die restliche Crew freut sich über die Ehre und das entgegengebrachte Vertrauen. Dann stürzen sie sich auf das Essen und verbringen noch einen fröhlichen, letzten Abend miteinander.

Die Sonne steht bereits im Osten eine Handbreit über der Wasseroberfläche. Die gesamte Mannschaft ist schon auf und erledigt die letzten Vorbereitungen vor dem Auslaufen. Giorgio ist beim Hafenmeister um den restlichen Papierkrieg zu erledigen und versucht ihm auf englisch klarzumachen, das die Catalina erst in zwei bis drei Jahren hier wieder einen Liegeplatz benötigen wird. Er ist sich nicht ganz klar, ob der das verstanden hat, zumal er auch keinen ganz nüchternen Eindruck macht, aber er will zu gegebener Zeit einfach Luigi an morsen. Der würde dann schon für einen Liegeplatz sorgen.

Pia verstaut gerade die umfangreiche Bordapotheke, Flo ist dabei den großen Tiefkühlschrank umzupacken, während Theresa ihre Bestandsliste vervollständigt. Max klart bereits die Takelage auf und bereitet das Auslaufen vor. Als Giorgio zurückkommt und die Gangway hochklettert, ruft er laut: „Alle Mann an Deck!“

Tatsächlich erschienen alle brav an Deck und Giorgio fragt: „Schiff klar zum Auslaufen?“ Die Mannschaft nimmt Haltung an und wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort: „Ay Ay Sir, Schiff klar zum Auslaufen!“ Sie grinsen wegen der ungewohnten Kommandos, aber akzeptieren voll die Autorität von Käpt´n Giorgio. Bei ihrer Seefahrtausbildung wurde ihnen eindringlich eingetrichtert, das nur der Kapitän das sagen haben kann und vom bedingungslosen Befolgen seiner Anordnungen, unter Umständen, ihrer aller Leben abhängt.

Na, dann wolln wir mal den kleinen Törn hinter uns bringen. Denkt bitte immer an alle Sicherheitsmaßnahmen, habt gegenseitig ein Auge auf Euch und achtet immer auf Kolumbus. Wir leben jetzt lange Zeit auf engstem Raum zusammen, auch wenn unser Schiff nicht ganz klein ist, aber sich aus dem Weg gehen, kann man auch nicht gerade. Deshalb verlange ich von Euch, fair, friedlich und respektvoll miteinander umzugehen. In kritischen Situationen versucht die Nerven zu behalten und vor allem, haltet zusammen. So, das musste noch gesagt werden. Nun wünsche ich uns allen eine gute Reise und immer drei Fuß Wasser unterm Kiel. Und nun Leinen los und die Gangway hoch!“

Max will gerade die Gangway runter um die Bug- und Hecktampen zu lösen, als er Luigi auf seiner Vespa den Kai hoch flitzen sieht. Ich nicht daran gedacht!“ ruft er schon von weitem: „Das Deutsche, wenn sagen acht Uhr ablegen, auch meinen acht Uhr ablegen!“ Er hievt schnell einen großen Korb leuchtend goldgelber Apfelsinen eigener Ernte an Bord, drückt jeden Einzelnen noch einmal an seine breite Brust, wünscht allen eine gute Reise und viel Glück. Dann lief er die Gangway runter und ruft: „Leinen los machen ich schon!“ Max zieht die Gangway hoch und verzurrt sie fachmännisch. Giorgio hat den Motor angelassen und los geht´s mit langsamer Fahrt durch das Hafenbecken, Richtung offenes Meer und Korsika. Alle winken Luigi zu, der langsam immer kleiner wird und bald nur noch als Punkt sichtbar ist.

Kugelkompass

Die Weltumseglung kann beginnen. Der Käpt´n ruft „Kurs Süd, Süd Ost, Richtung Korsika.

 

 

 

 

09.   Korsika wir kommen