Lehner, Ute

 

Ute Lehner,

Geboren südlich von Augsburg, in einem Gebiet, das (damals war Krieg) abseits der großen Bombenangriffe stattfand. Als sie 3 Jahre war (sie ist die älteste von drei Kindern), zog die Familie nach Augsburg. Die Entbehrungen waren sehr groß.

Ihre Vorliebe fürs Lesen und Schreiben begann sehr früh. In der Schule machten ihr Aufsätze schreiben einen ungeheuren Spass. Besonders, dass die besten laut vorgelesen wurden.

Später kaufte sie sich so viele Wunschbücher selbst, dass ihr Mann eines Tages kopfschüttelnd zu ihr sagte „Du hast schön so viel gelesen, wird Zeit, dass Du eigene Bücher schreibst! Das kommt billiger!“ So fing sie an mit der Aufzeichnung von Erlebnissen mit ihren noch sehr kleinen Enkelkindern. Das erst Buch, das sich daraus entwickelte bekam die Schwiegertochter, die sich sehr freute.

Eines Tages entdeckte sie, dass ihre Tageszeitung Tiergeschichten-Autoren sucht… und tatsächlich, ihre Tiergeschichten wurden veröffentlicht. Das ging über etliche Jahre – bis der Cheffredakteur zu einer anderen Zeitung ging und sie und ihr Mann Spanien für sich entdeckten!

Ihre Tiergeschichten hatte sie gesammelt. Daraus wurde ein ganzes Buch – im Eigenverlag gedruckt und gebunden. Jetzt hatte sie ein persönliches Geschenk für Verwandte und Freunde. Ettliche kamen ja auch mit ihren tierischen Lieblingen im Tierbuch vor.

Anfangs versuchte sie einen Verlag zu finden, um das Buch zu veröffentlichen. Leider klappte es nicht. Also entschloß sie sich: „Einfach aus Spaß an der Freud weiter Bücher zu schreiben“.

Wenn Sie jetzt zurückblickt – mit 70 Jahren – gibt es ganz viele Erinnerungen, die sie unbedingt schriftlich festhalten will, besonders Überlieferungen von Zeitzeugen, ihre „Wurzeln“ betreffend, Kennenlern-Geschichten, die ihr ganzes Leben gestaltet haben, Erlebnisse mit vier Enkelkindern, nette Momente mit Freunden und Verwandten, ganz verrückte Einfälle und Krimis.

Stoff zum Schreiben geht ihr niemals aus. Wichtig waren ihr auch ihre Reiseberichte aus Australien und Namibia, wo sie immer fleißig Notizen schrieb um später zu Hause ein Buch daraus zu basteln.

Auch Wohnwagen-Erlebnisse gibt es und nun sind „ganz alltägliche Geschichten dran“.

Ute LehnerUte Lehner, bei ihren liebenswürdigen, abwechslungsreichen, selbst erlebten Geschichten spührt man die unbändige Lust am Schreiben, sie sprühen vor Lebensfreude, die sie mit uns teilen will. Wir freuen uns darauf!

                                                             ****************************

Hier eine einfallsreiche, “mörderische” Kurzgeschichte, die ihre ausgelassene und erfindungsreiche Fantasiebegabung zeigt. Sie wurde in den Costa Blanca Nachrichten vom 28. Juni 2019,  Nr. 1854, auf der Rastro-Seite veröffentlicht (eine wöchentliche prima Möglichkeit für Autoren*innen, Dichter und Poeten sich zu präsentieren) :

Günter und ich saßen auf einer Bank am Meer, in der Nähe des Hafens von Moraira und betrachteten die Wellen, das Panorama von Calpe, die Möwen, ein kleines Segelschiff und fühlten uns wieder mal so richtig wohl…

Sonst war niemand in der Nähe. – fast niemand!

Von der etwa 50 m entfernten Burgruine kam ein Mann auf uns zu geschlurft, ca. 30 bis 35 Jahre alt, ungepflegt und leicht schwankend. Er fixierte mich und ging direkt auf mich zu. Blick: leicht glasig – oder nein: eher bedrohlich, irgendwie irr!

Komisch!“ dachte ich. „Was will der von mir? Wie soll ich jetzt reagieren. Wegsehen? Oder doch lieber signalisieren, dass ich ihn bemerkt habe?“

Okay! Ich lächelte – ich hoffte zumindest, dass mein gestresstes Zähne-fletschen wie ein Lächeln wirkte! Der Mann näherte sich, blieb abrupt vor mir stehen, sah mich an und sagte: „Bon Dia!“ – „Hola, buenos Dias“, sagte ich (herzklopfend) freundlich. Dann ging er weiter…

Günter hatte das gar nicht so mitbekommen. Als ich ihm mit immer noch ein bisschen Herzklopfen die Situation schilderte, sagte er grinsend: „Du und deine Fantasie! Jetzt erzählst du mir womöglich, dass du mit einer Messerattacke gerechnet hast!“

So abwegig fand ich das gar nicht……

Sie saß auf der Bank direkt am Meer und starrte ins Nichts. Aber das war es nicht, was mich magisch anzog – es waren ihre roten Haare, die grell im Sonnenlicht leuchteten.

Ich ging auf sie zu – langsam, unaufhaltsam. Da sah sie mich an.

Dann betrachtete sie wieder das Meer und den Felsen auf der anderen Seite der Bucht. Ich verkürzte die Differenz zwischen ihr und mir und starrte sie an. Und diesmal fixierte sie mich ausgiebig, interessiert und unbefangen freundlich, zumindest hatte ich den Eindruck.

Irgendwie sah ich in letzter Zeit allerdings alles leicht verschwommen. Das lag wohl an meinen verschwollenen Augen…

Besonders beeindruckend war mein Anblick sicher ohnehin nicht. Ich hatte die ganze Nacht durchgesoffen, war müde, ungeduscht, unfrisiert – wie immer in letzter Zeit – und steckte in meinen verdreckten, verknitterten Klamotten, die ich schon seit Tagen trug. Egal was sie dachte. Es interessierte mich nicht. Wichtig war, dass ich meine Mission schnell hinter mich bringen wollte:

Tod allen Rothaarigen!!!

Das war mein Motto, seit mich Ariane verlassen hatte. Ariane war so was von rothaarig!!! Und nicht nur das. Sie hatte mich betrogen, ausgeraubt, lächerlich gemacht und mir im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen weggezogen. Gleich nach ihrem Verschwinden kam der Vermieter der Wohnung, in der wir beide gehaust hatten und setzte mich an die Luft. Okay, ich war voll zugedröhnt und hatte keine Kraft, mich zu wehren. Der Grund für den Hinausschmiss war: Ariane hatte seit Monaten keine Miete mehr bezahlt. Das schleuderte er mir wortreich ins Gesicht.

Bloß: Was hatte ich damit zu tun? Ariane war es doch, die mich überredet hatte, Deutschland zu verlassen und mit ihr nach Spanien – genauer gesagt: nach Moraira –  zu fahren. Diesen Ort beschrieb als das Paradies Spaniens schlechthin. Paradies klang gut! Warum sollte ich das Abenteuer nicht wagen? Mit Ariane auf jeden Fall. Ich war total verliebt in sie. Und sie in mich – sonst hätte sie mir dieses Leben nicht vorgeschlagen, nicht wahr? Dass ich völlig mittellos war, wusste sie. Sie wusste aber auch, dass ich mir in Spanien einen Job suchen wollte. Bis dahin war es nur recht und billig, dass sie für Miete und Lebensunterhalt aufkam, oder?

Jedenfalls: Ariane war weg, und mein Hass auf sie war grenzenlos. Was sie nicht wusste: Ich hatte herausgefunden, wo sie sich inzwischen herumtrieb. Sicher bei dem Typen vom Strand, dem sie schöne Augen gemacht hatte. Dumm von ihr, dass sie seine Visitenkarte am nächsten Tag versehentlich auf der Kommode liegen ließ! Ich nahm sie nicht weg, aber ich notierte mir die Adresse, weil ich schon ahnte, dass sie schwach werden würde… Nicht das erste Mal, dass sie mich betrog.

Also holte ich den Zettel mit der Adresse ihres neuen Liebhabers und ging hin. Nicht schlecht! Ein Ferienhaus mit Pool und Garten!

Dagegen war unsere kleine Mietwohnung natürlich gar nichts. Ich entdeckte sie sofort. Sie schwamm völlig nackt im Pool. Und sie war allein. Ich sah natürlich plötzlich Rot und sprang auf der Stelle zu ihr ins Wasser. An das, was sich dann genau ereignete, kann ich mich nicht mehr genau erinnern – nur dass sie am Schluss nicht mehr schrie…

Die nächsten Tage war ich sehr angespannt. Sollte mir die Polizei auf der Spur sein? Wenn ja, konnte sie mich auf keinen Fall finden. Aus der Wohnung war ich rausgeworfen worden, meine wenigen Klamotten hatte ich mitgenommen, und zur Zeit lebe ich in einem alten, halb verrotteten Bauwagen bei einer Müllkippe.

So schlecht ist das Leben hier gar nicht. Sogar mit Lebensmitteln werde ich ausreichend versorgt. Man kann sich nicht vorstellen, was die Leute alles wegwerfen… sogar halb ausgetrunkene Wein-, Bier- und Schnapsflaschen.

Zugegeben, der Alkohol ist ein Problem für mich. Vollgedröhnt wird mir richtig klar, wie bescheuert meine Situation ist. Ich habe keine richtige Wohnung, keine Arbeit, keine Möglichkeit, mein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen…  

Und schuld daran ist Ariane, klar! Aber nicht nur sie. Es sind die Rothaarigen, die mich schön langsam um den Verstand bringen! Die Freundin des Hausbesitzers ist ebenfalls rothaarig. Sie war der Grund, warum mich ihr Typ aus der Wohnung geschmissen hatte!!!

Eine fixe Idee von mir? Natürlich nicht! Sie gestand es mir, als ich sie – rein zufällig – erwischte und am Kragen packte. Meine Wut war nicht zu bremsen. Und das hat sie nicht überlebt…

Seitdem hasse ich alle Rothaarigen!!! Sie sind die Luft nicht wert, die sie atmen. Sie bringen allen nur Unglück. Ich weiß das, weil ich die Welt schon von etlichen dieser jungen, unnützen weiblichen Geschöpfe befreit habe. Hinterher – in den Zeitungen – erfuhr ich, dass es die Richtigen getroffen hatte: Prostituierte, Betrügerinnen, Ehebrecherinnen, Verrückte…

Und ein paar Schritte entfernt saß wieder eine Rothaarige, die fünfte, die ich ins Jenseits befördern würde. Ein kurzer Griff in meine Tasche – ja, das Messer war bereit. Noch vier, fünf Schritte und dann…

Ich war wie in Trance. Und dann war sie nur noch einen Schritt von mir entfernt!

Plötzlich – die Ernüchterung: Vor mir saß keine gut aussehende, junge, aufregende Rothaarige, sondern eine alte Frau, die ihre Haare rot gefärbt hatte!!! – und neben ihr auf der Bank ein alter Mann, vermutlich ihr Ehemann.

Stopp! Ich blieb abrupt vor ihr sehen, wartete auf einen Schrei, eine Abwehrbewegung oder was auch immer. Aber sie sah mich nur an und – lächelte. Eine verrückte Situation! Irgendwie war ich geschockt. Ich!!!

Und aus einem Reflex heraus, den ich mir gar nicht recht erklären konnte, machte ich so was wie eine ironische Verbeugung und sagte: „Bon Dia!“ –

Hola“, sagte sie, „Buenos Dias!“

Das war’s. Immer noch geschockt ging ich weiter.

Innerlich war ich völlig aufgewühlt. Hätte ich doch beinahe eine harmlose Alte gekillt! Und das gab mir zu denken…“ Wahnsinn!

Ich muss mein Leben in den Griff kriegen. Soll ich mich der Polizei stellen? Vielleicht – wenn ich wieder klar denken kann. Aber heute bestimmt nicht mehr!